Am 01.03.1999 hat mein Frauenarzt festgestellt, dass ich wieder schwanger bin. Ich war bereits zweimal schwanger. Meine erste Schwangerschaft endete in der 12. SSW. Meine zweite Schwangerschaft
endete in der 20. SSW. Ich verlor meine Zwillinge, zwei Jungen, aufgrund einer Muttermundschwäche.
Bei dieser Schwangerschaft sollte nichts schief gehen. Zur „Vorsorge“ machte man in der 14. SSW eine Cerclage, der Muttermund wurde mit einem Band verschlossen.
In der 21. SSW hatte ich ein komisches Gefühl im Bauch; es war fast zur gleichen Zeit, als ich ein Jahr zufuhr meine Zwillinge verloren hatte.
Wir fuhren sofort ins Krankenhaus. Es wurden alle Kontrolluntersuchungen gemacht. Man konnte nichts außergewöhnliches feststellen. Es war alles in Ordnung. Ich blieb noch zwei Tage zur Beobachtung.
Am dritten Tag, bei der Abschlussuntersuchung, hat man festgestellt, dass sich die Fruchtblase durch die Cerclage gedrückt hatte.
Ich bekam absolute Bettruhe verordnet, wobei mein Becken hochgelagert wurde. Da nun Wehen einsetzten wurden mir wehenhemmende Mittel verabreicht und mehrmals täglich ein CTG geschrieben. Nach ein
paar Tagen wurde ein kompletter Muttermundverschluss vorgenommen.
Nach über vier Wochen Krankenhaus bekam ich sehr hohes Fieber und Schüttelfrost. Da die Entzündungswerte im Blut trotz antibiotischer Behandlung nicht zurückgingen und mein Leben, sowie das Lebens
meines Kindes in Gefahr war, entschloss man sich zu einem Notkaiserschnitt. Unsere Tochter Luisa wurde am 14.07.1999 um 10.35 Uhr geboren. Sie wog 720 g und war 32 cm groß. Ich lag einen Tag auf der
Intensivstation und konnte Luisa am zweiten Tag zum ersten Mal sehen. Sie war beatmet, bekam Infusionen und hatte eine Menge Sensoren zur Überwachung auf Ihrem kleinen Körper. Wir hatten sehr große
Angst, dass sie Ihren frühen Start ins Leben nicht überlebt.
Die nun folgenden Wochen und Monate waren die schrecklichsten und schönsten zugleich. Wir besuchten Luisa mehrmals täglich und ließen sie unsere ganze Nähe, Wärme und Liebe spüren. Wir machten sehr
viele Bilder von ihr, die wir Abends, meistens unter Tränen, anschauten, hofften und beteten, dass alles gut gehen würde. Am Anfang nahm Luisa wie jedes reif geborene Kind ab, was für uns jedoch ein
schlimmer Anblick war. Es dauerte ca. 3 - 4 Wochen bis die Nahrung ausreichte um zuzunehmen. Es wurde mehrfach versucht die Beatmungsgeräte wegzulassen, was jedoch oft wieder scheiterte. Sie bekam
mehrere Bluttransfusionen und lag zeitweise in einer Unterdruckbox um ihr das Atmen zu erleichtern. Nach über fünf Wochen gelang es Luisa endlich alleine zu atmen. Sie hatte zwar Atempausen, konnte
aber wieder stimuliert werden. Ein paar Tage später durften wir das erstemal „känguruhen“. Es war für uns ein wundervolles unbeschreibliches Gefühl sein Kind endlich mit dem ganzen Körper zu
spüren.
Nach acht Wochen erlitt sie einen schweren Rückschlag. Sie musste wieder beatmet werden, ihr kleines Herz hatte keine Kraft mehr und es hatte sich dadurch Wasser in der Lunge gesammelt. Sie wurde mit
Medikamenten ruhig gestellt und lag völlig apathisch im Inkubator. Für uns war es furchtbar das alles mitanzusehen. Wir hatten sehr grosse Angst, dass sie bleibende Schäden davon getragen hat.
Nach einer Woche das Bangens wurde Luisa wieder vom Beatmungsgerät genommen. Zur großen Freude aller klappte das Atmen nun viel besser. Es ging nun langsam bergauf, jedoch die Angst, dass wieder
etwas unvorhergesehenes passieren könnte war riesengross.
Nach zwölf Wochen durfte Luisa mit einem dünnen Schlauch vor der Nase, der ihre Atemluft mit Sauerstoff anreicherte, in ein Bettchen umziehen. Es war schön, sein Kind mit Kleidung im Arm halten zu
können. Bei uns machte sich das erstemal Zuversicht breit, dass alles gut gehen wird.
Ende Oktober begann man sie an die Flasche zu gewöhnen, da das Stillen noch zu anstrengend war. Ich habe während der ganzen Zeit täglich Muttermilch abgepumpt. Es waren zwar kleine Mengen, die aber
sehr wichtig für sie waren.
Luisa war oft sehr unruhig. Sie wurde Nachts herumgetragen oder in einer Hängematte geschaukelt.
Ende November schaffte Sie es endlich ohne zusätzlichen Sauerstoff und durfte am 03.12.1999 nach 142 Tagen nach Hause. Wir mussten weiterhin die Herz- und Atemfunktion, sowie die Sauerstoffsättigung
an Monitoren überwachen.
Luisa schlief sehr wenig. Sie schrie sich oft in den Schlaf. Auch lachte sie sehr wenig. Nach drei Monaten musste sie wegen einer Bronchitis ins Krankenhaus. Sie benötigte Sauerstoff. In den ersten
Monaten zu Hause gingen wir kaum unter Leute, wegen der Infektgefahr. Wir hatten große Angst dass sie sich etwas einfangen könnte.
Von Oktober 2000 bis Juni 2001 hatte sie einen Infekt nach dem anderen. Wir mussten mehrmals täglich inhalieren. Zweimal wurde sie stationär mit Sauerstoff versorgt. Sie hat durch die lange Beatmung
BPD (Bronchopulmonnale Dysplasie) und ist aus diesem Grund anfälliger. In dieser Zeit wurde sie mit Theophyllin eingesstellt und muss täglich mit Cortison inhalieren. Seit Juli 2001 bekommt sie ein
Medikament,(Singulair junior) das sie gut verträgt und vorbeugend wirken soll. Die Infekte haben wir seitdem ohne Krankenhaus und viel leichter überstanden. Auch ist sie seitdem nicht mehr so
krankheitsanfällig.
Luisa hat sich zu einem fröhlichen kleinen Mädchen entwickelt. Sie ist sehr anhänglich. In ihrer Entwicklung kann sie mit gleichaltrigen Kindern gut mithalten. Sie ist zwar viel kleiner, aber auf die
Grösse kommt es ja nicht an.
In der langen schweren Zeit im Krankenhaus wurden die Ärzte und Schwestern zu einer grossen Familie für uns; für deren liebevolle Pflege wir ihnen noch immer sehr dankbar sind. Wir besuchen sie von
Zeit zu Zeit, damit sie an Luisas Entwicklung teilhaben können. In dieser Zeit entfernten sich bis auf wenige sehr viele Freunde, was für uns sehr bedrückend war. Dafür schlossen wir neue
Freundschaften, die noch immer bestehen.
Nun wird Luisa bald drei Jahre alt und wenn uns damals jemand gesagt hat, dass sie sich körperlich und geistig normal entwickelt, war das bei all dem was sie durchlebt hatte für uns nicht
vorstellbar.
Luisa ist heute der Mittelpunkt in unserem Leben und wir sind froh und dankbar dafür.
Luisa, Stephan und Andrea