Ernährung von Frühgeborenen
Bei zu früh geborenen Kindern bleibt es unsere Aufgabe, die Funktion der Gebärmutter möglichst gut zu ersetzen und den Kindern die bestmögliche Entwicklung außerhalb des Mutterleibs zu
ermöglichen.
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden stellen sich an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Frühgeborenen besondere Anforderungen, die auf die speziellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Frühgeborenen
abgestimmt sein müssen.
Der Nahrungsaufbau wird je nach Kinderklinik etwas unterschiedlich durchgeführt, häufig mit gleichem Erfolg. Wichtig ist aber, dass ein Ernährungsplan vorliegt.
Welche und wie viel Nahrung bekommen Frühgeborene?
Auch bei noch sehr kleinen Frühgeborenen wird spätestens nach 24 h mit einer enteralen Ernährung( Ernährung über den Magen-Darm-Trakt ) begonnen. Dies geschieht zunächst mit sehr geringen Mengen mit
einer Frühgeborenen-Nahrung bzw. Muttermilch mit Nahrungs-Zusätzen, die den speziellen Anforderungen des Frühgeborenen entsprechen. Je nach Verträglichkeit der Nahrung und Ausscheidung über den Darm
wird dann die Menge der Nahrung gesteigert. Dies kann vor allem bei sehr kleinen Frühgeborenen auch zum Teil nur sehr zögerlich möglich sein - ein früher Beginn ist aber als „Training“ für den noch
unreifen Darm wichtig und schützt vor schweren Darminfektionen.
Ist der erste Nahrungsaufbau soweit gelungen. Frühgeborene haben einen erhöhten Nährstoffbedarf, da sie durch ihre Unreife weniger Energiereserven in die Welt mitbringen als reife Neugeborene sowie
eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit haben. Deshalb enthält die Frühgeborenennahrung Kalorien, Eiweiß, Mineralien und Spurenelemente in höherer Konzentration bzw. wird die Muttermilch durch diese
Zusätze ergänzt, um der Entwicklung der Muskeln, Knochen, des Gehirns und des Körpers allgemein alles Wichtige bereitzustellen. Zusätzlich zur Nahrung werden die nötigen Vitamine verabreicht.
Die meisten Kinder werden vor der Entlassung aus der Klinik auf Muttermilch bzw. eine normale Pre-Nahrung umgestellt, in Ausnahmefällen kann es jedoch nötig sein die Kinder noch über die Entlassung
hinaus mit der speziellen Nahrung zu ernähren.
Da wie bereits angesprochen der Nahrungsaufbau langsam erfolgt, werden dem Kind die benötigte Flüssigkeit, Kohlenhydrate, Aminosäuren und Salze anfangs über Infusionen direkt ins Blut zugeführt (
Parenterale Ernährung ). Bei sehr kleinen Frühchen oder verlangsamtem Nahrungsaufbau werden die Infusionen im Verlauf weiter mit Fetten, Vitaminen und Spurenelementen ergänzt bis das Kind genügend
Nährstoffe über die Milch aufnehmen kann.
Wie bekommt das Frühgeborene seine Nahrung?
Kleinen Frühgeborenen sowie kranken Neugeborenen mit z.B. Atemproblemen ist es meist nicht möglich zu trinken. Es fehlt noch die Koordination zwischen Atmen, Saugen und Schlucken sowie die nötige
Kraft. Die Ernährung erfolgt dann über eine Magensonde. Diese ist ein dünner Schlauch, der über Nasenrachenraum und Speiseröhre in den Magen führt und über den die Nahrung direkt in den Magen
einlaufen kann. Bei etwas älteren Kindern wird beim Schnullern, wobei auch häufig ein Tropfen Nahrung zur Mahlzeit in den Mund gegeben wird, für das spätere Trinken geübt. Bei stabileren Kindern wird
dann in regelmäßigen Fütterungsversuchen das Saugen und Schlucken trainiert. Dies geschieht sehr vorsichtig und anfangs nur durch die Frühchenschwestern, da die Kinder sich noch leicht erschöpfen und
sich verschlucken können, bevor dann nach einigem Training des Kindes die Eltern angeleitet werden.
Stillen
Muttermilch ist, wenn auch von der Natur für zum Termin geborene Kinder vorgesehen, auch für Frühgeborene eine sehr gute Ernährung. Sie sollte allerdings, wie oben bereits erwähnt, mithilfe von
Nahrungsmittelzusätzen bei kleinen Frühgeborenen an deren gesteigerten Bedarf angepasst werden. Muttermilch ist gut verdaulich und enthält Abwerstoffe, die das Kind vor Infektionen schützen
kann.
Bevor die Muttermilch den kleinen Kindern unter 30. SSW gefüttert wird, wird die Mutter auf einen Kontakt mit einem bestimmten Virus (CMV) untersucht. Bestand oder besteht eine Infektion mit diesem
Virus sollte die Muttermilch bis zur Vollendung der 30. SSW nicht gefüttert werden, die die Muttermilch das CMV-Virus enthalten und so zu einer Infektion bei einem unreifen Kind führen könnte. Die
Milch muss aber nicht verworfen, sondern kann z. B. tiefgefroren für spätere Zeitpunkte aufbewahrt werden.
Da wie bereits oben beschrieben, die Kinder oft noch nicht die Fähigkeit besitzen selbständig zu trinken, muss leider häufig noch etwas Geduld aufgebracht werden bevor das erste „richtige“ Stillen
möglich ist. Über Abpumpen und Sondieren oder Flaschefütterung kann das Frühchen aber auch schon vorher von den Vorteilen der Muttermilch profitieren. Viele Frühchen lernen das Trinken an der Brust
selbst noch im Alter von einigen Monaten.
Anke Fluhr, Juni 2008